Im Freiwilligendienst in einer 10er Wohngemeinschaft leben

Freiwilligendienste sind super vielfältig, das kann man hier bei den Blogbeiträgen schon sehen. Zusätzlich gibt es direkt in der schönen Mainzer Altstadt seit 2019 für alle, die einen Freiwilligendienst machen, die Möglichkeit in einer 10er WG zusammen zu leben. Was diese WG so besonders macht, erfahrt ihr hier…

Fragen an die Begleiter*innen der WG (es antwortet Claudia Fontana stellvertretend für das Team):

Was ist das für eine besondere WG in der Mainzer Altstadt?

Diese besondere WG nennt sich auch COJ, Christliches Orientierungsjahr. Sie befindet sich in einem eigenen Bereich des Mainzer Priesterseminars. Träger ist das Bistum Mainz. Wir begleiten und unterstützen junge Menschen im Alter von 17 bis 27 Jahren in einer wichtigen Lebensphase der Orientierung und Entscheidungsfindung, in der Regel zwischen Schule, Ausbildung und Studium. Dazu bieten wir Zeit und Erfahrungsräume, um sowohl gemeinsam als auch ganz individuell wichtigen Lebensfragen nachzugehen und sich auf die Suche nach der je eigenen Berufung zu machen.
„Was ist mir wichtig in meinem Leben? Was zeichnet mich aus? Was gibt mir Sinn, was erfüllt mich? Wie will ich mein Leben gestalten? Welchen Beitrag habe ich dieser Welt zu geben? Und was bedeutet mir dabei der Glaube in meinem Leben?“ – all das sind Fragen, die in diesem Jahr eine Rolle spielen.
Wesentliche Bestandteile des COJ sind das gemeinschaftliche Leben (LEBEN), ein Engagement für andere oder im Bereich Natur- und Umweltschutz im Rahmen eines Freiwilligendienstes (HANDELN) sowie eine ganzheitliche und spirituelle (Persönlichkeits-)Bildung (WACHSEN).

Was machen die Freiwilligen, die in der Altstadt-WG zusammen leben?

Alle Bewohner*innen machen ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) oder ein Freiwilliges Ökologische Jahr (FÖJ). Seit diesem Jahr leben auch Freiwillige aus dem DFÖJ in der WG, einem deutsch-französischen Freiwilligendienst.
Den Freiwilligen stehen vielfältige Einsatzstellen zur freien Auswahl zur Verfügung, wie z.B. Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Pfarreien, Altenheime, Einrichtungen für behinderte Menschen, Flüchtlingshilfe, Obdachlosenhilfe, Tafeln, Palliativstationen, Psychiatrien, mobile Dienste, Waldkindergärten/Forstämter, etc.. Bei der Auswahl wird darauf geachtet, dass die Dienstorte gut erreichbar sind und im Großraum Mainz liegen.

Wie begleiten Sie Ihre Freiwilligen unterstützend in ihrem Dienst?

Die jungen Menschen im COJ nehmen an einem Begleitprogramm teil, das vom Team der Berufungspastoral und punktuell weiteren Akteuren*innen, verantwortet wird. Im Sinne einer ganzheitlichen (Persönlichkeits-)Bildung werden Erfahrungsräume für das eigene und gemeinschaftliche Leben angeboten sowie Wege zu einer lebendigen und tragfähigen christlichen Spiritualität eröffnet.
Dazu findet einmal in der Woche ein WG-Abend statt, um sich gemeinsam auszutauschen und zu reflektieren. Außerdem suchen sich die Teilnehmenden eine/n Begleiter/in aus dem COJ Team aus für monatliche persönliche Begleitgespräche.
Zu Beginn des Orientierungsjahres findet ein Start-up Wochenende statt, es folgen drei weitere gemeinsame Wochenenden während des Jahres. Neben den Bildungswochen/Seminaren der Freiwilligendienste gibt es beim COJ noch sechs zusätzliche Bildungstage. Gegen Ende des Orientierungsjahres findet eine gemeinsame Fahrt statt.
Darüber hinaus gibt es jedes Jahr ein Nachtreffen und Ehemalige werden zu besonderen Anlässen eingeladen. Durch die intensive Begleitung und das gemeinschaftliche Leben sind viele enge Beziehungen und Freundschaften entstanden.

Fragen an Johanna. Sie macht ihr FSJ im Marienhaus Klinikum Mainz, Gynäkologie:

Erzähl uns von einem normalen Tag im Freiwilligendienst bei dir…

Einen normalen Tag habe ich eigentlich nicht, mal arbeite ich im Frühdienst von 6:00-14:30 Uhr und mal im Spätdienst von 14:00-22:00 Uhr. Nachdem ich meine Arbeitskleidung angezogen habe, findet immer erst die Übergabe statt, bei der jede*r Patient*in kurz durchgesprochen wird und welche Untersuchungen heute bei wem anstehen. Ich werde dann in der Regel einer Krankenschwester zugeteilt, mit der ich mitlaufe.
Meistens haben wir so 10 bis 12 Patientinnen zu betreuen. Beim Morgenrundgang messen wir Vitalzeichen, machen die operative Vor- und Nachsorge und bringen Frauen in den OP. Tagsüber schaue ich, dass immer alles an Material da ist, was benötigt wird. Pflegebedürftige Patientinnen unterstütze ich beim Waschen und Anziehen. Natürlich reagiere ich auch auf die Klingel, wenn Patientinnen uns rufen. Essen verteilen und zum Teil auch anreichen gehört auch zu meinen Aufgaben. Und am Ende ist dann wieder die Übergabe an die nächste Schicht.

Warum machst Du einen FD, bzw. warum bist Du im COJ?

Ich wollte nach der Schule nicht direkt studieren, sondern ein bisschen Pause haben und nach dem Abi-Lernstress nicht sofort in den Uni-Lernstress fallen. Und da bietet sich ja so ein Freiwilligendienst an, zumal ich ohnehin noch ein bisschen am hin und her überlegen war, was ich danach machen will.
Und das mit dem COJ stand dann auch ziemlich schnell fest. Das wurde uns in der Schule von einer COJ-Teamerin vorgestellt und ich fand die Grundidee super: Mal rauskommen, in eine neue Stadt ziehen, neue Leute kennenlernen, mal was Neues erleben. Man zieht aus und ist aber doch noch nicht so ganz auf sich alleine gestellt, man lebt eingebunden in eine Gemeinschaft in der WG und hat noch eine Begleitung durchs Team. Ja, das finde ich einfach sehr cool und das hat mich überzeugt.
Und dass ich jetzt im Krankenhaus bin, das geht schon so in die Richtung meines Berufswunsches. Ich wollte mal ausprobieren, wie so der Alltag mit Schichtdienst ist und ob ich auch die persönlichen Geschichten der Menschen, gerade nach schweren Diagnosen, mit aushalten kann. Insgesamt nutze ich also das Jahr gut, um herauszufinden, ob es das ist, was ich in meinem Leben machen will.

Sebastian macht seinen Freiwilligendienst in den Innenstadtpfarreien in Mainz:

Erzähl uns von einem normalen Tag im Freiwilligendienst (FD) bei dir.

Einen wirklich „normalen“ Tagesablauf gibt es bei mir gar nicht. Da ich in den Mainzer Innenstadtpfarreien eingesetzt bin (sprich: in der Seelsorge), ist eine Woche oder auch ein Tag gar nicht immer planbar. Ein Beispiel dafür wären Todesfälle.
Oft ist es aber so, dass ich am Vormittag mit den Kolleg/-innen Besprechungen habe. Nach der Mittagspause kümmere ich mich dann häufig um ein Angebot oder Projekt in unseren Pfarreien, wie z.B. die Hausaufgabenhilfe oder den Schriftenstand in der Kirche St. Stephan. Abends gehe ich meistens in eine unserer zahlreichen Werktagsmessen, bevor dann z.B. eine Sitzung der Pfarrgemeinderäte ansteht. Im Grunde ist mein Arbeitsalltag also sehr abwechslungsreich und ich kann viele Praxiserfahrungen sammeln. Ich möchte Theologie studieren und diese Eindrücke helfen mir bei der Entscheidung, ob es eher in die Richtung des Priesters gehen soll oder in die eines anderen pastoralen Berufes.

Warum hast du dich dafür entschieden neben dem FD auch ins COJ zu gehen?

Ich bin gerne im COJ, weil das Zusammenleben in dieser WG Räume öffnet, sich über die je eigene Berufung, eigene Bedürfnisse, Fragen und Sehnsüchte auszutauschen. Dadurch, dass die Mitbewohner*innen alle in unterschiedlichen Arbeitsfeldern tätig sind, fließen viele verschiedene Eindrücke und Erfahrungen in diesen Austausch mit ein, was die WG zu einem Ort der Vielfalt und des Miteinanders macht.
Aus meiner Sicht ist es zudem wertvoll, dass sich junge Menschen offen über ihren Glauben austauschen können, was in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich ist. Die Selbstständigkeit und Meinungsbildung zu etwaigen Themen innerhalb wie außerhalb der kirchlichen Grenzen erhält aus meiner Sicht durch dieses Projekt einen hohen Stellenwert und eine enorme Förderung.

Weitere Infos über das COJ gibt es unter:  http://www.coj-mainz.de